
„Winterlandschaften“
Mit ihrem neuen Bilderzyklus „Winterlandschaft“ stellt Angelika Herker erneut Zeugnisse ihrer intensiven künstlerischen Beschäftigung mit Natur und Naturerfahrung vor.
Geblieben ist die Verwendung „armer“ Materialien wie Recycling-Papier oder Wellpappe, die in poetischen Collagen einer neuen, künstlerischen Verwendung zugeführt werden. Die Objekthaftigkeit der damaligen Werke, die immer gegen die ästhetische Grenze des Tafelbilds opponierten, aus ihm ausbrechen wollten, ist ins Bildhafte, ästhetisch Beruhigte zurückgekehrt. Das Grenzüberschreitende, Grenzen-Sprengende, lässt die Künstlerin heute eher in Rauminstallationen stattfinden, in denen sie die Bewegung und den Wechsel der Betrachterperspektiven bewusst in ihre Arbeiten einbezieht.
Ihre Collagen des Zyklus „Winterlandschaft“ setzen ihre Beschäftigung mit dem Thema Landschaft eher zurückgenommen, „kammermusikalisch“ fort, eine Beschäftigung, welche zuvor das Sujet der „Wasserlandschaft“ variationenreich analysiert hatte. Ausgangspunkt der souverän gefertigten Collagen aus gerissenen, zum Teil farblich gestalteten Papieren, ist jeweils die miniaturhafte Skizze, in der eine Stimmung oder ein Farberlebnis aus der Betrachtung einer Landschaft festgehalten ist. Im Atelier wird diese Landschaftsreminiszenz dann übersetzt in größere Collagen, in denen vertikale Strukturen formbestimmend sind. Zurückhaltend und sensibel in der Farbstimmung vermitteln sie die Atmosphäre vereister oder verschneiter Waldansichten, in denen die Vertikalität der Baumstämme in vertikale Schichtungen und Reihungen von gerissenen Papieren und Pappfragmenten transformiert wird.
Die Collagen der Bildserie „Winterlandschaft“ halten wie die früheren Arbeiten Angelika Herkers die sensible Balance zwischen Naturabbild, Stimmungsreminiszenz auf der einen Seite, und einer sich vom Naturabbild befreienden, abstrakt-autonomen Materialsprache. Keiner der beiden Pole erhält ein Übergewicht, die stimmigen und formschönen Kompositionen scheinen zwischen einem völlig vom Gegenstand befreiten und doch am Naturvorbild haftenden Formwillen zu oszillieren. Die Arbeiten der letzten Jahre, vor allem die Zyklen der „Baumlandschaften“, Wasserlandschaften“ und auch die neue Serie der „Winterlandschaften“ verfolgen ein zunehmend meditativ gestimmtes Naturkonzept, welches die zum Teil expressive Experimentierfreude und Materialvielfalt der früheren Perioden zurücknimmt zugunsten einer beruhigten und ausponderierten Konzeption.
Angelika Herker schafft Mikrokosmen eines zu Meditation und Kontemplation einladenden Naturvorbilds, das in ihrer Collagearbeit nicht als fertiger Bildeindruck, sondern als Prozess verbildlicht wird, in den der Betrachter sich aktiv einbringen muss.
Sepp Hiekisch-Picard Kunstmuseum Bochum 2005