AngelikaHerker

„Wasserlandschaften“

Künstlerzeche Unser Fritz 2-3, Herne

Seit Jahren setzt sich Angelika Herker in ihren Arbeiten intensiv mit dem Thema der Natur auseinander. Dabei gilt ihre besondere Aufmerksamkeit landschaftlichen Impressionen und Stimmungen, die sie sensibel in eine künstlerische Formensprache transponiert, welche nicht zuletzt durch die Verwendung von Alltagsmaterialien wie Wellpappe oder Recycling-Papier charakterisiert wird. Neben der Werkserie der „Baumlandschaften“ findet Angelika Herker vor allem in den „Wasserlandschaften“ vielfältige Ausdrucksformen für ihre meditative Verarbeitung von Naturvorbildern. Die Präsentation der neuen „Wasserlandschaften“ in der Künstlerzeche „Unser Fritz“ kombiniert eine raumgreifende Installation aus bemalten vietnamesischen Reisstrohhüten, die mitten in der Halle auf dem Boden verteilt sind, mit einem umlaufenden Fries von gleichformatigen Collagen. Bewegung, Veränderung der Betrachterperspektive, Grenzüberschreitung einerseits, Ruhe, kontemplatives Sich-Einlassen auf den Reichtum von Nuancen und Farbschwingungen im langsamen Abschreiten der kleinformatigen Collagen andererseits verschmelzen zu einem spannungsvollen  Gesamteindruck.

Die kreisrunde Bodeninstallation aus ca. 200 auf der Innenseite bemalten Reisstrohhüten ist das künstlerische Ergebnis einer Vietnamreise, auf welcher Angelika Herker die Omnipräsenz der Strohhüte im Alltag dieses Landes kennen lernte: als Sonnenschutz, Sichtschutz, Einkaufs- oder Lastenkorb erfüllen die in mühseliger Handarbeit hergestellten Hüte zahlreiche Funktionen. Mit Tempera in vielfältigen Blau-, Türkis-, Grün- oder Gelbschattierungen bemalt, rufen diese nunmehr ihren Funktionen enthobenen Alltagsgegenstände  einen Seheindruck hervor, der analog zu setzen ist dem Vibrieren des Lichtes auf einer Wasseroberfläche und dem Oszillieren von Farbstimmungen. Wasser als prägendes Element der vietnamesischen Landschaft mit ihrer pittoresken Meeresküste und ihren zahlreichen Flussläufen – in Gestalt der Reisfelder letztlich auch der Ausgangspunkt der Reisstrohhüte – wird zurückverwandelt in „analoge Materialkonzentrationen und Farbschwingungen“ (Elisabeth Kessler-Slotta, Kat. „Schichten-Schichtung“, 2002).

Der verfremdende, andere sinnliche Kontexte stiftende Umgang mit vermeintlich einfachsten Alltagsmaterialien wie Strohhüten zeigt sich ähnlich in den Papiercollagen auf Leinwand, die als horizontale Linie in gleichmäßigem Rhythmus die umlaufenden Wände füllen. Ausgehend von Skizzen, die transitorische Momente fixieren, klebt Angelika Herker gleichmäßig in Streifen gerissene, zuvor mit Tempera / Kohle bemalte Packpapiere, in horizontalen Schichtungen auf quadratische Leinwände. Zugleich Wasserlandschaft und völlig autonome Farbkomposition, die dem Formwillen der Künstlerin nur zum Teil gehorcht und manches dem Zufall im Schaffensprozess verdankt, rufen diese Papiercollagen den Eindruck von Prozessen hervor, die sich erst im Blick des Betrachters wieder zum Bild von Natur verdichten kann. Die Natur von Angelika Herkers „Wasserlandschaften“ fordert einen aktiven Betrachter, denn sie bleibt in diesen Bildern unabgeschlossen, bleibt Prozess, nicht fertiges Abbild.

Sepp Hiekisch-Picard   Kunstmuseum Bochum  2008

(Katalog Angelika Herker  Neue Arbeiten Künstlerzeche Unser Fritz 2-3  Herne))

15. Mai 2008 in