SpielRaum Kunstmuseum Bochum
„SpielRaum“ Kunstmuseum Bochum
Mit ihrer zweiteiligen Bodeninstallation „SpielRaum“ setzt sich Angelika Herker direkt mit den verbreiteten Regeln zur Behandlung von Kunstwerken im Museumsraum und im öffentlichen Raum auseinander. Die beiden Teile tragen die Untertitel „spielenimraum“ und „keinspielraum“ und bestehen jeweils aus großen, ca. 2 Meter langen und ca. 10 cm dicken Ästen, die mit farbigen elastischen Bändern miteinander verbunden sind.
Der erste Teil „spielenimraum“ befindet sich auf dem Boden im Innenraum des Museums. Die Äste, die mit Transparentpapier umhüllt sind, bilden eine lockere Struktur aus und sind mit gelben Bändern untereinander verbunden. Der Besucher ist aufgefordert, die Konstellation der Äste am Boden zu verändern. Er kann die Stämme so legen, dass ein Maximum in der Ausdehnung der Bodeninstallation erreicht wird, er kann die Äste übereinander zu einem Haufen legen oder sie so verteilen, dass die gelben Bänder verschiedene geometrische Muster bilden. In den Kombinationsmöglichkeiten wird dem Besucher hier freie Hand gelassen. Die Längen der elastischen Bänder sowie das Gewicht der großen Äste bilden die einzigen Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit der Elemente. Der zweite Teil der Arbeit „keinspielraum“ auf der grünen Wiese vor dem Kunstmuseum Bochum besteht aus einem großen Bündel von Ästen, die mit roten Bändern zusammengeschnürt sind, so dass eine Bewegung der einzelnen Äste nicht möglich ist. Das Holz bildet hier eine kompakte, in sich geschlossene Form.
Angelika Herker kehrt mit ihrer Installation die die Zugangsmöglichkeiten und Handlungsräume des Besuchers gegenüber dem Kunstwerk um. Im Außerraum ist es dem Betrachter potentiell möglich, ein Kunstwerk zu berühren, mit ihm zu spielen und es gewollt oder ungewollt zu verändern. Die Ordnungsmacht des Museums hat im öffentlichen Raum kaum Einfluss auf die Rezeption durch den Einzelnen. Anders verhält es sich im Museumsraum: Hier ist das Kunstwerk zu seinem eigenen Schutz durch die Institution mit ihren Überwachungsmechanismen und Regeln vor einem unerlaubten Zugriff durch den Besucher abgesichert. Der Betrachter ist auf eine stille, rein visuelle Erfahrung des Kunstwerkes beschränkt. Ein Berühren oder sogar Verändern des Kunstwerkes ist nicht erlaubt. Diese Rolle des Betrachters wird seit den 1960er Jahren durch Kunstrichtungen wie Fluxus, Happening, Performance und raumgreifende Installationen hinterfragt. Der Betrachter wird mehr und mehr als ein integraler Bestandteil des Kunstwerkes begriffen, der teilweise sogar interaktiv in dieses eingreift und es verändert. Angelika Herker bezieht sich auf diese Entwicklung in der Gegenwartskunst auf und macht mit ihrer Installation auf die immer noch vorherrschenden Verhaltensnormen im institutionellen Rahmen des Museums im Gegensatz zu denen im öffentlichen Raum aufmerksam.
Im Werk der Künstlerin spielt die Natur eine zentrale Rolle. In unterschiedlichen Medien übersetzt sie optische Erscheinungsformen der Natur, wie zum Beispiel Strukturen von Baumrinden oder Lichtreflexe auf Wasseroberflächen, in abstrakte Kunstwerke. Dabei zeigt Angelika Herker auch immer wieder auch die Veränderlichkeit der Natur innerhalb des Wechsels der Jahreszeiten und lässt dem Betrachter somit das Vergehen der eigenen Zeit bewusst werden. Die großen Baumäste in ihrer Installation „SpielRaum“ repräsentieren die Natur. Durch ihre Verbindung mit den roten bzw. gelben Elastikbändern wird der Gegensatz zwischen der Natur und der Kultur bzw. den industriell gefertigten Materialien aufgezeigt. Die grellen Farben der Bänder und die geometrischen Formen, die aus ihrer Verflechtungen entstehen, stellen einen starken Kontrast zu den unregelmäßigen, organischen Formen der Äste mit ihren braunen Farbschattierungen dar. Angelika Herker bringt die Natur direkt in den Museumsraum. Dabei umhüllt sie die Äste, der Teilinstallation „spielenimraum“ mit Transparentpapier. Dieses Material lässt sich in ihrem künstlerischen Schaffen häufig finden und stellt in dieser Installation eine Umhüllung der Naturelemente dar, die diese trotzdem sichtbar lässt. Die Natur wird durch das Transparentpapier von dem sensiblen Museumsraum abgetrennt. Es bildet eine Barriere, die die beiden Elemente voreinander „schützt“. Im Außenraum benötigen die Naturmaterialien keinen Schutz, hier befinden sie sich buchstäblich in ihrer natürlichen Umgebung. Dass die Natur sich aber auch im Innenraum nicht eindämmen lässt und eigene Wege geht, zeigen die vielen kleineren Äste, die aus der Umhüllung hervorbrechen.
Claudia Rinke Kundthistorikerin 2014 (Katalog Ausstellung Spielraum Kunstmuseum Bochum)