AngelikaHerker

„Lichtspiele“ 

 Spielraum — Stadtmuseum Hattingen 

Sukzessive hat sich das schöpferische Arbeiten von Angelika Herker im Laufe der vergangenen Dekade von der Flächenkunst zur Raumkunst entfaltet. Ausgehend von grafisch-malerischen Werken bildet der Umgang mit dem Material Papier sowie einer Vielzahl verwandter – hoch- wie minderwertiger – Stoffe und deren sensualistischer Reize nach wie vor eine wesentliche Ausdrucksform. Daneben hat die Künstlerin das artfremde Plexiglas als neues Gestaltungselement für sich erschlossen. Zeigt sich anfangs eine noch verhaltene und eher traditionelle Verwendung als plane Folie von Collagen, so vollziehen sich im Erkunden spezifischer Aussagemöglichkeiten kontinuierlich Wandlungen vom Objektcharakter hin zu Installationen.

Erfahren in der Übertragung natürlicher Prozesse in eigenständige Abstraktionsformen, ein Vorgehen, das vor allem die Motivsequenz der „Wasserlandschaften“ mannigfaltig vorführt (s. Katalog S. 14 -19), folgt sie ihrer Strategie mit der Betonung immaterieller Eigenschaften, insbesondere der Transparenz und der Lichtwirkung. Aus der Kombination zweier völlig disparater Materialien, des glatten, unsinnlichen Plexiglases einerseits und des Papiers mit seinen verschiedenartigen haptischen und optischen Qualitäten andererseits, entwickeln sich im Zusammenspiel, aber auch in der Kontrastierung Gestaltungen von suggestiver Anziehungskraft. Im Einklang mit der jeweiligen Ausstellungssituation ergeben sich zudem ästhetische Korrespondenzen, wenn sich Formen, Farben und Strukturen im dynamischen Wechsel durchdringen und homogen zusammenwirken, exemplarisch realisiert in der Installation „Wasserlandschaft Vietnam“, einer Präsentation in der Herner Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 (s. Katalog S. 10 13).

Gegenüber musealen Räumen mit ihren verlässlichen Standards fordern unkonventionelle Orte, wie sie zahlreiche Relikte der industriellen Vergangenheit des Ruhrgebietes dokumentieren, Künstler zu innovativen Kreationen heraus. Angeregt durch das Potenzial von betont funktionaler Hallenarchitektur und massiver Maschinenpräsenz hat Angelika Herker in der Dortmunder Kokerei Hansa jüngst eine Installation aus mehreren Bestandteilen konzipiert, unter denen die rhythmische Reihung leuchtend gelber Plexiglasflächen im kraftvollen Ambiente des Raumes einen signifikanten Gegenpol darstellte. Lichtreflexe und Spiegelungen bereicherten das ästhetische Erleben um zusätzliche Facetten (s. Katalog S. 4 – 9).

Mit der aktuellen Intervention „Spielraum“ im Hattinger Stadtmuseum greift sie gestaltend und verändernd in den Raum selbst ein. Runde, leuchtendgelbe Plexiglasstäbe gleicher Abmessungen erstrecken sich über die Weite verteilt und flach auf dem Boden liegend, einige überschneiden sich. Strukturell die Längsausrichtung des Raumes wie auch die Form seiner Rundstützen paraphrasierend, stellen sie in ihrer Tektonik dezidiert Bezüge zu diesen Elementen her, wohingegen die Signalwirkung der Farbe Neugier und Distanz evoziert. Integriert in den realen Raum des Betrachters verwehren sie ihm den ungehinderten Zutritt, denn sie beanspruchen den Raum in seiner ganzen Dimensionierung. Reduziert auf Linearität und somit auf  ein Minimum an skulpturaler Form, konzentriert auf die Wechselbezüge der einzelnen Elemente untereinander wie auch auf die Licht- und Raumwirkung, geprägt vom Verzicht jeglicher subjektiver Künstlerhandschrift bezieht die Installation ihre Formensprache sowohl von Minimal Art als auch von der Konkreten Kunst. Im Gestaltungsprinzip serieller Reihung zeigt sich darüber hinaus eine spielerische Komponente, obschon sie auf einer präzis-kalkulierten und sachlich-rationalen Konzeption basiert und von Zeitlosigkeit zeugt.

Angelika Herker lotet in der spannungsreichen Polarität von visueller Faszination und faktischer Verweigerung die Optionen des Raumes aus, dem sie mit der Ambivalenz von Spiel und Kalkulation eine Neubewertung verleiht.

Dr.Elisabeth Kessler-Slotta   Kunsthistorikerin   2010  (Katalog Spielraum Stadtmuseum Hattingen)

10. Mai 2010 in